ORESTIE
von Aischylos | übersetzt von Peter Stein, bearbeitet von Tim Tonndorf
Die Geschichte ist uralt und scheint grundsätzlich überschaubar: Königin Klytaimestra erschlägt ihren soeben aus dem Trojanischen Krieg siegreich heimgekehrten Gatten Agamemnon. Dieser hatte vor zehn Jahren die gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert, um günstige Winde für seine Überfahrt zu erwirken. Nun erscheint der bei Kriegsausbruch einst verstoßene Sohn Orestes am Hof von Argos und rächt gleichsam den Tod seines Vaters indem er seine Mutter so wie deren komplicenhaften Liebhaber Aigisthos tötet. Doch nun hetzen den Mörder übernatürliche Rache-Göttinnen und verlangen, dass seine Blutschuld in gleicher Weise beglichen wird. Das Prinzip von Mord und Rache, Gewalt und Gegengewalt, das sich seit Orestes’ Ur-Ur-Großvater Tantalos wie ein Fluch durch das Geschlecht zieht, scheint mithin unumkehrbar. Doch dann greift die Göttin Athene mittels des wohl ersten überlieferten Gerichtsprozesses der Menschheitsgeschichte ein …
Und hier beginnt die Problematik. Der häufig gestrichene Dritte Teil der Orestie wird landläufig als „Geburt der Demokratie“ verklärt. Doch ist er das wirklich? Liest man die Orestie vor dem Hintergrund der Situation des Dichters Aischylos im politisch gespaltenen Athen seiner Zeit, ergibt sich ein komplexeres Bild. Themen wie nationale Identität, Machtdemonstration nach außen sowie innenpolitische Konflikte bestimmen einen Topos, der uns zu einer lustvollen Befragung der Demokratie herausfordern sollte statt deren Widersprüchlichkeiten zu glätten. Besonders in einer Zeit, in der jedwede politische Gruppierung das "Demokratische“ als Alleinstellungsmerkmal für sich reklamiert.
Mit: Alrun Hofert, Henriette Nagel, Carmen Priego, Oliver Baierl, Stefan Imholz, Vincent zur Linden, Guido Wachter
Regie: Tim Tonndorf
Komposition: Robert Hartmann
Bühne und Kostüm: Anna Bergemann
Dramaturgie: Anne Vogtmann
Premiere am 16. März 2018, Theater Bielefeld
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© Philipp Ottendörfer
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